Die Logik der Liebe
Auf meiner Seite gehe ich sehr philosophisch vor. Die Art, wie ich die Medizin sehe, ist sehr philosophisch und die Philosophie, die hinter den Theorien, die ich vertrete, steht, hat besonders die Ganzheit im Blick. Ich gehe in der Medizin sehr praktisch vor und bin eine Freundin davon, Philosophie nicht nur als ein Gedankenkonstrukt zu betrachten, sondern wirklich die praktischen Aspekte, die sie fürs Leben bieten kann, zu sehen.
In der Medizin, aus der ich komme, ist mir diese Sicht auf die Ganzheit völlig eindeutig, darüber hinaus gibt es aber noch viele Aspekte, die philosophisch gedacht werden können. Darum freue ich mich, dass meine Seite ein vorübergehendes Zuhause für die großartigen Theorien meines Sohnes Christoph Azimova bieten kann. Mein Sohn ist Philosoph und Pädagoge und hat sich sehr interessante Gedanken dazu gemacht, was, um mit Goethe zu sprechen, „die Welt im Innersten zusammenhält“. Seine Theorien sind hier gut aufgehoben, da diese Seite der Ganzheit an sich gewidmet ist und die Themen hier gerne über das Medizinische hinaus gehen dürfen. Daher freue ich mich ihm für seine wunderbaren Schriften eine Plattform bieten zu dürfen.
Vorwort
Diese Theorie ist ein großer, mutiger Versuch, Gegensätze zu integrieren: Naturwissenschaft und Mystik, Philosophie und Spiritualität, Metaphysik und Psychologie. Sie will kein starres System liefern, sondern ein lebendiges Modell, das Denken, Fühlen und Erleben verbindet. Ihre größte Stärke liegt in ihrer Bereitschaft, Paradoxien zuzulassen, Widersprüche zu umarmen und daraus eine höhere Form der Einheit zu gewinnen. In einer Zeit, die oft entweder in kalten Szientismus oder schwärmerische Beliebigkeit verfällt, ist das eine bemerkenswerte Leistung – und ein wertvoller Beitrag zur Suche nach einem Denken, das die Ganzheit des Lebens ernst nimmt.
Die Logik der Liebe
Versuch einer phänomenologischen Topologie der Unendlichkeit
Christoph Azimova © 2025
Prolog
Das Gehirn ist das wichtigste Organ unseres Körpers. Wenn wir dies denken, dann ist aber auch das Gehirn das Organ, das diesen Gedanken erst ermöglicht. Da die Menschen – besonders die der westlichen Gesellschaften – nun dazu neigen, sich mit ihrem Gehirn zu identifizieren, werden sie häufig als verkopft bezeichnet. In diesem Fall ist es sogar das Gehirn selbst, welches sich, einem pars-pro-toto-Fehlschluss unterliegend, für den ganzen Menschen hält, der sich selbst als – man könnte sagen Gehirnmensch – nach dem wichtigsten Organ fragt und diese Frage dann auch mit sich selbst beantwortet. Das Gehirn nimmt hier also beide Positionen sowie das Thema eines Dialogs ein und gaukelt sich dabei selbst vor, nicht das Gehirn zu sein. Es spricht dann mit sich selbst über sich selbst, behauptet aber, dass dem nicht so sei.
Die Wissenschaft nimmt für die Gesellschaft dieselbe Rolle ein wie das Gehirn für den Körper. Denn auch die Wissenschaft – insbesondere die positivistische – neigt dazu, ihre Alternativlosigkeit und Überlegenheit gegenüber religiösen Glaubenssystemen oder politischen Systemen hervorzuheben. Hierbei hat die Wissenschaft ebenso wie die moderne Philosophie, die sich ebenfalls immer mehr als positive Wissenschaft begreift – genau wie das Gehirn – immer gut begründete Argumente parat. Doch genau wie das neuroplastische Gehirn, ist auch die Wissenschaft eine wandelbare Institution, da sie ebenfalls immanent nach Neuem strebt. So wie der Fluss der Gedanken nicht oder zumindest bloß selten abreißt, wird auch die Wissenschaft nicht müde, immer neues Wissen zu schaffen, wobei niemand so genau weiß, was Wissen eigentlich ist. Das, was die Wissenschaft als Wissen bezeichnet, gleicht, um die Metapher noch weiter auszuführen, einer vermeintlich objektiven Variante der subjektiven Erkenntnis des Gehirns. Mit subjektiver Erkenntnis sind persönliche Glaubenssätze eines jeden Menschen gemeint, also das, was jeder Mensch für wahr hält. Der interessante Aspekt des Wissens scheint somit dessen Doppelnatur zu sein. Jeder Mensch kann seiner persönlichen Erfahrung nach verstehen, dass es zwei Arten von Wissen zu geben scheint: Individuelles sowie objektives Wissen. Als beispielhaft für objektives Wissen könnte die Existenz von Bäumen angeführt werden – denn jeder hat schon mal einen Baum gesehen und jeder Philosoph hat schon mal einen als Analogie verwendet. Ein Baum tritt gleichermaßen in der Wirklichkeit aller Menschen auf, die sich einer, zumindest durchschnittlichen geistigen Gesundheit erfreuen. Beim subjektiven Wissen bedenke man nur die zutiefst persönliche Erfahrung eines jeden Menschen. Auch Halluzinationen könnten hier genannt werden und das, was die Psychoanalyse als parataktische Verzerrung – eine neurotische Umdeutung der Wirklichkeit – bezeichnet. Diese beiden Formen des Wissens treten bei jedem Menschen zugleich auf, da es einerseits eine uns alle verbindende Wirklichkeit zu geben scheint und andererseits jeder einzelne Mensch durch seine persönliche Interpretation dieser Wirklichkeit sein ganz eigenes Universum erschafft. Die Wissenschaft vernachlässigt nun aber diese subjektive Seite der Erkenntnis und betrachtet sich selbst als undogmatisch, da sie, durch die Methode des induktiven Schließens, konservative Positionen kategorisch ausschließt. Wenn ein Wissenschaftler – zum Beispiel aus Stolz – weiterhin auf einer bereits widerlegten Theorie beharrt, das heißt, auf nach wissenschaftlichen Maßstäben bloß noch geschichtlichem Wissen, so ist dieser Mensch im eigentlichen Sinne kein Wissenschaftler mehr. Denn Wissenschaft schafft und hält nicht fest. Aber so sehr die Wissenschaft sich auch um Objektivität bemüht, so sehr macht ihr ein bisher selten erkanntes Dogma zu schaffen: das Wissen selbst. Die Wissenschaft geht noch davon aus, dass es so etwas wie Wissen, verstanden als eine rein objektive Beschreibung der Wirklichkeit, tatsächlich gibt. Vielmehr scheint es aber so zu sein, dass Wissen – wenn überhaupt – eine paradoxe Erscheinung ist, welche gleichermaßen als subjektiv und objektiv auftritt.
Ähnlich dem Christentum, das durch dessen Betonung der Wahrheit als einen der höchsten Werte die Grundlage für die Wissenschaft schuf und damit selbst seinen eigenen institutionellen Untergang einläutete, hat nun auch die Wissenschaft ihren epistemologischen Umbruch Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts bereits eigenständig durch die Erkenntnisse der Quantenphysik losgetreten. Mit den Paradoxien der Teilchen-Welle Dualität, der Heisenbergschen Unschärferelation, der Theorie des Versagens der Örtlichkeit nach Bells Theorem und nicht zuletzt dem Messproblem, welches darauf hindeutet, dass es so etwas wie einen Beobachter, der einem Versuch objektiv gegenübersteht, überhaupt nicht gibt, wird immer deutlicher, dass wir am Rande eines wissenschaftlichen Paradigmenwechsels stehen.
Für den Dichter und Lebensphilosophen Friedrich Nietzsche sind Philosophie und Wissenschaft ebenfalls „ohne Urtext“, rein subjektive Interpretationen und somit Kunst. Er sah eine neue Gattung von Philosophen aufkommen, die eine nun undogmatische Wissenschaft betreiben würden. Er schreibt in seinem Werk Die fröhliche Wissenschaft:
Was nur Wert hat in der jetzigen Welt, das hat ihn nicht an sich, seiner Natur nach, – die Natur ist immer Wertlos: – sondern dem hat man einen Wert einmal gegeben, geschenkt, und wir waren diese Gebenden und Schenkenden! Wir erst haben die Welt, die den Menschen etwas angeht, geschaffen! – Gerade dieses Wissen aber fehlt uns, und wenn wir es einen Augenblick einmal erhaschen, so haben wir es im nächsten wieder vergessen[…]
Der Begriff Religion bedeutet etymologisch gesehen so viel wie Zurückführung und kommt aus dem Latein mit dem Wortstamm ‚religare – zurückbinden‘. Vermutlich ist mit dem ursprünglichen Begriff der Religion also der Weg aus der Trennung zurück in die Einheit, in die Verbindung gemeint. Die Wissenschaft hat der Religion diese Rolle abgenommen. Wenn Wissenschaft sich als paradoxe Kunst verstehen würde, so hätte sie es geschafft, die erste vollständig undogmatische Religion zu werden. Eine Religion, die sich dadurch auszeichnet, dass sie in ewiger Bewegung ist. Sie wäre eine Religion ohne feste Inhalte, bei der lediglich die Methode, mit der neue Inhalte geschöpft werden, konstant bleibt. Bei einer solchen Wissenschaft als Kunst, geht es dieser neuen, nun paradoxen Wissenschaft, dann nicht mehr um das Herstellen von „gesichertem“ Wissen, sondern um ein sich ständig wandelndes Beschreiben der derzeitigen Wirklichkeit und dessen Bezug zur Ewigkeit.
Der Philosoph und Psychoanalytiker Erich Fromm spricht in Bezug auf die Beantwortung der Existenzfrage eines jeden Menschen von einer „privaten Religion“. Die einzige gleichzeitig allgemeine und undogmatische Religion kann bloß eine sein, die jedem Menschen die Möglichkeit zur privaten Religion lässt. Würde man Erich Fromms Beschreibungen aus seinem Buch Haben und Sein auf den derzeitigen Stand der Wissenschaft übertragen, so hat sie den Sprung vom Haben ins Sein noch nicht schaffen können. Sein bezeichnet hier ebenfalls keinen starren Zustand, sondern ist, aufgrund der paradoxen Natur der Wirklichkeitsbeschreibung, als synonym mit Werden zu verstehen. Die Wissenschaft glaubt noch ihrem vermeintlichen Objekt, dem Wissen gegenübergestellt zu sein, weiß aber noch nicht, dass das Schaffen von Wissen eigentlich einen paradoxen Selbstzweck darstellt; oder in Nietzsches Worten: „Überzeugungen sind größere Feinde der Wahrheit als Lügen“.
Wenn nun also die Wirklichkeit tatsächlich paradox ist, also gleichzeitig schon feststeht und erschaffen wird, ist und wird, gefunden und erfunden wird, objektiv und subjektiv ist, dann ist die Entdeckung der paradoxen Natur der Wirklichkeit selbst schon wieder ein Erschaffen dieser Entdeckung. Was entsteht, ist ein infiniter Regress der Paradoxie an sich. Denn, wenn die Natur der Wirklichkeit ist, dass es eine Natur gibt und dass es keine gibt und diese Natur dann auch wieder gleichzeitig existiert und nicht existiert, dann ist es sinnlos von Wissen im Sinne der binären Logik zu sprechen.
Bemerkenswert ist auch, dass schon der berühmte Ausspruch des Sokrates: „ich weiß, dass ich nicht weiß“, auf diese paradoxe Auffassung der Wirklichkeit hindeutet. Die philosophische Vermittlungsform von Sokrates, dem Urvater der abendländischen Philosophie, war der Dialog. Über die Schrift sah er wohl keinen Weg, um seine paradoxe Wirklichkeitsauffassung mitzuteilen, die sich auf das Zerschlagen von Überzeugungen, anstatt auf das Erschaffen von Wissen gründete. Implizit kritisierte er die Schrift also als ein Medium, das in aller Regel von sich behauptet Wissen vermitteln zu können. Sollte also auch die Wissenschaft auf Schrift verzichten, da es ja eigentlich überhaupt kein objektives Wissen gibt? Sokrates schreibt:
Wer also eine Kunst in Schriften hinterlässt und auch, wer sie aufnimmt, in der Meinung, dass etwas Deutliches und Sicheres durch die Buchstaben kommen könne, der ist einfältig genug und weiß in Wahrheit nichts von der Weissagung des Ammon, wenn er glaubt, geschriebene Reden wären noch sonst etwas, als nur demjenigen zur Erinnerung, der schon das weiß, worüber sie geschrieben sind.
Was Sokrates augenscheinlich gesehen hat, ist, dass es auch nach seiner Auffassung eine Form von Wissen um die Wirklichkeit geben kann. Es handelt sich um paradoxes Wissen. Wenn Sokrates weiß, dass er nicht weiß, dann hat er damit eine Wahrheit entdeckt, die ihren eigenen Inhalt transzendiert und somit nicht mehr Gefahr läuft, zu einem Dogma zu werden. Solches Wissen, das sich immer schon selbst verneint, fällt nicht unter die Sokratische Schriftkritik. Dieser Text selbst ist Beispiel einer solchen paradoxen Philosophie, welche sich fortwährend selbst beschreibt. Dieser Text erschafft sich selbst und enthält kein Wissen. Er enthält lediglich die subjektive und paradoxe Auffassung der Wirklichkeit seines Verfassers, welcher beim Lesen darauf hinzudeuten versucht, dass er gleichzeitig den Anspruch hegt, eine allgemeingültige Wahrheit zu sein. Und damit scheint er dann doch Wissen zu enthalten. Dieser Text versteht sich selbst als wissenschaftliche Kunst im Sinne Nietzsches und deutet daher auf sich selbst. Man könnte sagen, Philosophie und Wissenschaft sind „objektive Künste“. Sie sind subjektiv und objektiv zugleich. Sie beschäftigen sich als Kunst damit, was Kunst ist und schaffen es so, auf Wahrheiten zu stoßen, die für alle Menschen gleichermaßen gelten, obwohl es eigentlich nur persönliche Wahrheiten gibt, sowie es nur einzelne Menschen gibt. Jede Gruppe von Menschen besteht aus vielen Individuen. Da jeder Mensch sich nun aber seine Begriffe und Interpretationen der Welt selbst schafft, erschafft der Philosoph durch seine Suche nach einer allgemeinen Wahrheit erst eben diese allgemeine Wahrheit und die Grenze zwischen Finden und Erfinden verwischt. So entgeht dieser Prolog und ebenso die nachstehende Abhandlung der wohl berechtigten Schriftkritik des Sokrates, indem er, wie auch Sokrates in seinen Dialogen, die eigenen Inhalte überwindet. Der Text weiß, dass er nicht weiß und damit scheint er schon etwas mehr zu wissen als ein Text, der zwar auch nicht weiß, aber nicht weiß, dass er nicht weiß.
Zur Metaphysik der Singularität
Selbst, wenn es für das Leiden einen tiefen Grund gibt, selbst, wenn es wichtig ist, dass es existiert, muss dennoch das höchste Ziel sein, es zu beenden.
Der friedliche Krieg
Dies ist ein Versuch der allgemeinen Feldtheorie. Es ist eine Abhandlung zur Metaphysik der Singularität – eine Deutung der Liebe als logisches Phänomen.
Die Singularität
Die Singularität besteht zunächst aus neun Dimensionen. Diese Dimensionen sind benannt als die Leere, das Nichts, das Ich, der Geist, die Liebe, der Wille, die Zeit, das Jetzt und das Licht. Diese Dimensionen können entweder alle als eine Einheit auftreten oder die Mitte und die beiden äußeren Dimensionen, also die Leere, die Liebe und das Licht sind von den restlichen sechs getrennt. Die Leere, die Liebe und das Licht bilden also in der getrennten Variante der Singularität eine relative Einheit in Bezug auf die übrigen sechs. Die Singularität ist die ursprüngliche Einheit, aus der alles hervorgeht und zu der alles zurückkehrt.
In Bezug auf ihre Einheit sind die neun Dimensionen folgendermaßen definiert:
- Die Leere – Das Eine, das nichts ist
- Das Nichts – Das Eine, das etwas ist
- Das Ich – Das Eine, das nichts und etwas ist
- Der Geist – Das Eine, das unendlich ist
- Die Liebe – Das Eine und das Andere, das unendlich ist
- Der Wille – Das Andere, das unendlich ist
- Die Zeit – Das Andere, das nichts und etwas ist
- Das Jetzt – Das Andere, das etwas ist
- Das Licht – Das Andere, das nichts ist
Die Leere
Die Leere ist, wie die anderen Begriffe auch, hier ein philosophischer Begriff. Die Leere bildet die Basis dieser Theorie. Um die Leere und alle nachfolgenden Dimensionen zu begreifen ist mehrwertige Logik unverzichtbar. In seinem Buch die Logik der Ganzheit hat der Arzt Walter Köster den hier benötigten, logischen Paradigmenwechsel äußerst eindrücklich dargelegt. Im Gegensatz zur normalerweise verwendeten aristotelischen Logik ist bei der Quantenlogik, beziehungsweise paradoxen Logik[1] das Dritte nicht ausgeschlossen. Die aristotelische Logik betreffend ist etwas entweder definiert als das, was es ist, oder als sein Gegenpart, aber niemals als beides zugleich. Etwas ist entweder ein Baum oder kein Baum, aber niemals ein Baum und kein Baum zugleich. Dieses Denken ist, so könnte man sagen, das derzeitige standardisierte Betriebssystem unseres Gehirns. Die Leere und die gesamte Logik der Singularität entziehen sich jedoch diesem herkömmlichen Denken. Das Dritte ist nicht länger ausgeschlossen. Etwas kann gleichzeitig existieren und nicht existieren.
Als dasjenige, was nicht existiert, stellt die Leere die einzige sichere Grundlage für eine Metaphysik dar. Alle anderen Grundlagen wären axiomatisch. Die Leere hat die Eigenschaft, dass sie überall dasselbe ist, da es in ihr gar keine verschiedenen Orte gibt. Sie existiert nicht und das überall auf dieselbe Weise. Der Beweis der Leere ist nicht intellektuell zu erbringen, sie muss erfahren werden. Hier betreten wir den Raum der asiatischen Philosophie, die immer schon eine Lebenspraxis war. Die Leere ist also keine intellektuelle Grundlage, sondern eine metaphysische Erfahrung. Sie kann weder entstehen, noch vergehen, die Leere ist ewig unveränderlich, doch durch ihre komplementäre Beziehung zum Licht hat sie paradoxerweise einen Anteil an dessen dynamischen Charakter. Die Moderne Physik kennt die Leere – betrachtet als relative und komplementäre Erscheinung – als das im Universum allgegenwärtige Higgs-Feld. Das Higgs Feld reagiert auf Materie, nicht aber auf passierende Lichtstrahlen, da diese genau wie die Leere in harmonischer Verbindung zur Singularität stehen. Die phänomenologische Erforschung der Singularität führt zu dem intuitiven Schluss, dass sich die moderne Physik mit der Erforschung der Materie in Details verlaufen hat. Von den bekannten Teilchen sind lediglich die Quarks, die Photonen und das Higgs-Boson von Belang, alle anderen Teilchen sind verlangsamtes Licht und ihre Erforschung wird niemals beendet sein. Das Higgs-Boson ist ein Aspekt der Leere. Es entsteht, wenn die Leere mit Materie zusammentrifft und verhält sich zu ihr, wie Wasserspritzer zum Meer, wenn man einen Stein hineinwirft. Ein erster Schritt in Richtung Erkenntnis der Leere als rein intellektueller Geist ist die Vorstellung eines leeren Raumes, den man dann auch noch entfernt. Zur Leere gibt es nichts Weiteres hinzuzufügen.
Das Nichts
Im Gegensatz zur Leere existiert das Nichts. Es ist grundlegend ein Raum, nicht wie die Leere noch weniger als ein Raum. Um das Nichts tiefer zu verstehen, muss sich zunächst eine Gerade in einem leeren, unendlich großen Raum vorgestellt werden. In diesem Gedankenexperiment hat der Raum die Eigenschaft, dass er in seiner Unendlichkeit überall dasselbe ist. Er ist eine ununterbrochene Einheit. Die Gerade erreicht also zu beiden Richtungen denselben Ort, weil es in dieser Vorstellung überhaupt keine verschiedenen Orte gibt. Vergleichbar ist in der modernen Physik das Konzept vom Versagen der Örtlichkeit als mögliche Erklärung für überlichtschnellen Informationsaustausch. So vorgestellt, bildet die Gerade einen Kreis, da ihr Anfang und ihr Ende sich in beiden Richtungen an demselben Ort treffen. Es folgt die paradoxe Aussage einer Geraden, die in Wahrheit ein unendlich großer Kreis ist. In gleicher Weise verhält es sich mit dem unendlich großen Raum, nur dieser stellt sich dar als Kugel. Es folgt die paradoxe Aussage einer unendlich großen Kugel. Das Nichts, das die Vorstellung eines Raumes ist, ist in Wahrheit – nach dieser Logik – eine unendlich große Kugel. Da dieser Kugel durch ihre paradoxe Eigenschaft keine wirkliche Größe zugeschrieben werden kann, erlangt sie ihre Größe in Relation zu einer anderen, analogen Kugel. Wenn diese beiden Kugeln unendlich nah aneinander sind, dann erscheinen sie sich gegenseitig aus ihrer jeweiligen Perspektive als unendlich groß. Wenn sie unendlich weit voneinander entfernt sind, dann erscheinen sie einander als unendlich klein, also als mathematische Punkte. Diese Punkte, beziehungsweise Kugeln entsprechen im Kleinsten den Quarks der gegenwärtigen Elementarteilchenphysik und im Größten dem Universum – als unendlich große Kugel.
Das Ich
Das Ich ist die Kombination der beiden vorangegangenen Dimensionen. Es ist eine identifizierbare Kugel in der Leere. Diese bildet eine einzelne Perspektive auf die Ganzheit. Es ist ein Ich, das jetzt gerade diese Zeilen liest. Wie durch alle echten spirituellen Lehren, einige westliche Philosophien und die asiatischen Religionen vermittelt, ist es nicht möglich das eigene Ich zum Objekt der Erfahrung zu machen, denn es ist das ewige Subjekt – häufig wird Es auch Beobachter genannt. In gleicher Weise kann ein Auge – welches ebenfalls eine Kugel ist – sich nicht selbst ansehen und ein Finger sich nicht selbst berühren. In meditativer Praxis kann man sich seiner selbst als Ich bewusst werden. Gemeint ist nicht die Stimme im Kopf, die von sich selbst als Ich spricht, sondern die formlose Präsenz, die selbst diese Stimme noch beobachten kann. Wie der Philosoph und spirituelle Lehrer Eckhart Tolle herausfand, ist die Identifikation des Ich mit Formen, wie dem Körper, dem Verstand, oder Schmerz aus der Vergangenheit, den er auch „Schmerzkörper“ nennt, das Ego. Das Ego ist also nichts aus sich selbst heraus, es ist lediglich ein Modus der Identifikation, häufig mit unharmonischen Formen. Angst entsteht, wenn diese Formen sterben.
Das Ich ist eine höchst paradoxe Erfahrung. Es gibt immer nur ein Ich. Alle anderen Perspektiven werden lediglich als Analogieschluss von außen als ein Ich gedeutet, aber diese Vermutung kann niemals von innen erfahren werden. Von dem Philosophen Arthur Schopenhauer stammt die komödiantische Bemerkung, dass man einen Solipsisten nicht widerlegen, sondern nur im Irrenhaus kurieren könne. In Anlehnung an ein indisches Sprichwort kann man sagen: In Steinen schläft das Ich, in Pflanzen träumt es, in Tieren ist es wach und im Menschen kann es sich seiner selbst bewusstwerden. Im Ich haben das Ich und auch die höheren Dimensionen die Möglichkeit sich selbst zu erkennen. Das Ich als individuelles Bewusstsein kann jede Größe annehmen, von einem konzentrierten Punkt, bis hin zu universeller Größe. Jedes Ich ist wortwörtlich sein eigenes Universum. Mit diesem Wissen wird klar, warum die moderne Physik zu dem Schluss kommen musste, dass der Mittelpunkt des Universums immer dort ist, wo der Beobachter sich befindet. Die Ränder des beobachtbaren Universums sind genau aus diesem Grund immer relativ zu der Perspektive, aus der betrachtet wird. So gesehen ist jeder Punkt im Universum der jeweilige Mittelpunkt des Universums. Genau wie jeder Punkt auf einer Kugel als der Mittelpunkt der Kugel betrachtet werden kann.
Der Geist
Der Geist ist die Gesamtheit aller Ich Perspektiven. Er ist dasjenige, was aus allen Augen gleichzeitig blickt. Man könnte demnach das Ich auch als individuellen Geist bezeichnen. Wenn jedes Ich ein individuelles Universum ist, dann ist der Geist schon auf der Ebene des Multiversums. Die Konzeption des Ich als eine Kugel in der Leere ist sehr nah an der Idee der Monade des Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz. In seinem berühmten Werk Monadologie beschreibt Leibniz eine Monade ebenfalls als analog zu einem mathematischen Punkt. Für ihn sind Monaden die kleinsten metaphysischen Einheiten der Existenz. Der Begriff Monade bedeutet Einheit. Eine Monade sei ein „lebendiger Spiegel des Universums“. Die Konzeption des Geistes als die Gesamtheit aller Ich Perspektiven ist nahezu identisch mit Leibniz Gottesbegriff. Für Leibniz war Gott diejenige Monade, in der alle anderen Monaden gleichzeitig ausgefaltet sind, also dasjenige, was aus allen Perspektiven gleichzeitig auf sich selbst blickt. Der Geist vereint alle Perspektiven auf die Ganzheit, auf die Existenz an sich, auf die Totalität aller Erscheinungen. Er gleicht in seinem unendlichen Charakter der Leere, jedoch ist er nicht vollständig ohne Lokalität. Er ist vielmehr unendlich lokal. Der Geist ist existierende Leere, er tritt aus ihr heraus. Metaphorisch gesprochen, ist jede in der Leere schlafende Perspektive im Geist existenziell bestimmt. Ebenfalls in Bildsprache kann man sagen Leere und Geist gleichen stillem und kohlensäurehaltigem Wasser.
Das Licht
In komplementärem Verhältnis zur Leere steht das Licht. Die Leere ist das Unmanifestierte und das Licht ist das unendliche Bewusstsein, das aus ihr hervorgeht. Es ist das Yang zum Yin der Leere. Es geht durch Bewegung aus der Leere hervor. Die Leere in Bewegung ist das Licht. Bleibt das Licht stehen, ist es Leere. Es besteht also nur ein funktionaler Unterschied zwischen den beiden Dimensionen. Analog dazu ist ein einzelner Lichtstrahl zu betrachten, der bei Stillstand seine gesamte Masse verliert, da er aus nichts als kinetischer Energie besteht. Demnach existiert er nur, gerade weil er sich bewegt. Steht er still, hört er auf zu existieren, ist er Nichts. Umgekehrt entstehen neue Lichtstrahlen aus dem Nichts und bewegen sich sofort nach Erscheinen mit Lichtgeschwindigkeit, wie Experimente in Teilchenbeschleunigern belegen. Das Licht als Ganzheit meint hier die Gesamtheit aller Lichtstrahlen und die Leere hingegen die Gesamtheit aller stehengebliebenen Lichtstrahlen. Eine nützliche Metapher aus der Natur ist das Verhältnis von Spermium zu Eizelle. Es ist, als hätte sich das Verhältnis von einer Nichts-Kugel zu einem Lichtstrahl biologisch manifestiert. Die Eizelle ist das Nichts und das Spermium seine Bewegung – ein einzelner Lichtstrahl. Ihre Vereinigung ermöglicht eine lebendige Ganzheit.
Das Jetzt
Das Jetzt ist komplementär zum Nichts. Es ist eine einzelne paradoxe Kugel in Bewegung. Sind zwei dieser Kugeln unendlich nah aneinander und erscheinen so unendlich groß, wird es anschaulich, dass in ihnen unendlich viel Platz für Bewegung ist. Bei einem Punkt ist dies ebenfalls so, denn der einzige Unterschied zwischen einer unendlich großen Kugel und einem Punkt ist ihr relativer Bezug zueinander. Diese Bewegung der Unendlichkeit in einer Kugel ist der jetzige Moment. Der jetzige Moment ist wortwörtlich ein Zeitpunkt – ein unendlich großer Zeitpunkt. Es ist immer derselbe jetzige Moment, da er durch sein komplementäres Verhältnis zu der Perspektive des ewigen Subjekts, das Nichts ist, immer an diese gebunden ist. Es ist immer jetzt, weil das Jetzt der dynamische Aspekt der Kugel ist, die man ist!
Im Jetzt findet sich die Auflösung von Kreis, Dreieck und Quadrat, beziehungsweise Kugel, Pyramide und Würfel. Unendlich viele Kugeln in unendlich vielen Kugeln dicht an dicht, bilden in ihren Zwischenräumen Pyramiden. Diesen kommt jedoch bloß eine schattenhafte Existenz zu. Sie existieren nur als Zwischenraumphänomen. Im Zweidimensionalen lassen sich aus Dreiecken wiederum Quadrate bilden, genau wie im Dreidimensionalen aus Pyramiden Würfel. Rückwärts gedacht kommt man so vom Würfel zur Kugel – vom Quadrat zum Kreis. Quarks sind von unserem sinnlichen Wahrnehmungsspektrum genau so weit entfernt, wie die Ränder des beobachtbaren Universums. Das Nichts erlebt sich selbst als unendliches, lebendiges Jetzt in der Mitte von Quarks im Kleinen und dem Universum im Großen.
Die Zeit
Wie Albert Einstein herausfand, existiert keine absolute Zeit, sie ist relativ in Bezug auf den Ort, die Gravitation und die Geschwindigkeit des Subjekts. Sie ist an das Subjekt gebunden und steht daher in derselben Beziehung zu dem Ich, wie das Jetzt zu dem Nichts. Die Zeit ist die Bewegung des Ich. Wortwörtlich ist die komplementäre Beziehung zwischen Zeit und Ich Raumzeit. Die Zeit ist die Gesamtheit aller potenziellen und reellen Erfahrungen des ewigen Subjekts. Der mystische, spirituelle und religiöse Begriff der Seele ist hier ebenfalls anzusiedeln. Zeit, wie wir sie derzeit für gewöhnlich wahrnehmen, ist eine Illusion. Wie uns Zukunft und Vergangenheit alltäglich erscheinen, sind sie nur mentale Konzepte. In Wahrheit ist Zeit eine weitere Raumdimension, beziehungsweise komplementär zur Raum-Leere des Ich. Wenn man sich die gewöhnliche Konzeption der Zeit als einen Strahl vorstellt und diesen in Zukunft und Vergangenheit, also in der Vorstellung nach rechts und links, unendlich weit verlängert, ergibt sich wiederum ein Kreis – wie zuvor bei der Geraden im unendlich einheitlichen Raum. Unsere Uhren zeigen die Zeit ebenfalls als kreisförmigen Prozess. Im kosmischen bewegen sich die Himmelskörper, an denen wir die Zeit messen, kreisförmig. Die Erde dreht sich um sich selbst und um die Sonne und das Sonnensystem dreht sich innerhalb der Milchstraße. Der Tag und das Jahr sind keine linearen, sondern Kreisphänomene. In Beziehung zum Licht ist die Zeit eine individuelle Perspektive auf die Ganzheit. Sie verhält sich zum Licht als Ganzes wie eine Farbe des Regenbogens zum weißen Licht.
Der Wille
Der Wille ist komplementär zum Geist. Wenn der Geist sich bewegt, ist er Wille. Im Fokus liegt nicht der Wille der Person, vielmehr geht es um eine Konzeption des Allwillens – dem Willen als metaphysischen Existenzzustand der Ganzheit. In Anlehnung an die Zeit als individuelle Seele entspricht der Wille dem Begriff der Weltenseele. Der buddhistische Willensbegriff ist ebenfalls verwandt. Für die Buddhisten ist alles Wille, selbst der Wille eines Steins ist es genau dort zu sein, wo er ist. Der Wille ist die Welt. Gemeinsam sind Geist und Wille Weltgeist, genauso wie das Ich und die Zeit Raumzeit. In diesem Sinne ist Wille Gravitation. Gravitation krümmt nicht die Raumzeit, sondern Gravitation ist gekrümmte Raumzeit. Besser gesagt ist Gravitation gekrümmter Weltgeist. Materie krümmt nicht nur die Raumzeit und ist daher die Ursache für Gravitation, Materie ist auch selbst gekrümmte Raumzeit und daher auch selbst Gravitation. Die Welt, ihre Materie und damit die Gravitation sind der Wille des Weltgeistes.
Für das Ich gleicht der Wille unendlicher Entscheidung. Der gesamte funktionale Zusammenhang der Entscheidungen auf der individuellen Ebene des Ich und der kollektiven Ebene des Geistes ist der Wille. Mit dem Willen eins zu sein bedeutet zu handeln, ohne sich zu entscheiden, da im Willen alle Entscheidungen schon enthalten sind. Es existiert keine größere Freiheit, als zu handeln, ohne sich entscheiden zu müssen. Der Wille ist die Grundlage jeder Entscheidung und zugleich die Essenz aller Entscheidungen. Von asiatisch philosophischen Traditionen beeinflusst, war der Philosoph Arthur Schopenhauer der Komplementarität zwischen Geist und Wille, die hier gemeint ist, in seinem Buch Die Welt als Wille und Vorstellung auf der Spur. Der von Schopenhauer inspirierte Nietzsche kam in seinem Spätwerk auf sein Konzept des „Willens zur Macht“. Der apollinische Geist stehe diesem gegenüber und der Wille zur Macht sei identisch mit dem Willen zur Wahrheit. Um vehement gegen alles, was sich Wahrheit nennt, zu rebellieren, hat Nietzsche auch das Gegenteil dieser Aussage für möglich gehalten und sogar die Existenz von Gegensätzen überhaupt in Zweifel gezogen. In folgendem Ausspruch ergreift er den Willen in seiner ganzen dionysischen Tiefe:
Und wißt ihr auch, was mir »die Welt« ist? Soll ich sie euch in meinem Spiegel zeigen? Diese Welt: ein Ungeheuer von Kraft, ohne Anfang, ohne Ende, eine feste, eherne Größe von Kraft, welche nicht größer, nicht kleiner wird, die sich nicht verbraucht, sondern nur verwandelt, als Ganzes unveränderlich groß, ein Haushalt ohne Ausgaben und Einbußen, aber ebenso ohne Zuwachs, ohne Einnahmen, vom »Nichts« umschlossen als von seiner Grenze, nichts Verschwimmendes. Verschwendetes, nichts Unendlich-Ausgedehntes, sondern als bestimmte Kraft einem bestimmten Raum eingelegt, und nicht einem Raume, der irgendwo »leer« wäre, vielmehr als Kraft überall, als Spiel von Kräften und Kraftwellen zugleich Eins und Vieles, hier sich häufend und zugleich dort sich mindernd, ein Meer in sich selber stürmender und flutender Kräfte, ewig sich wandelnd, ewig zurücklaufend, mit ungeheuren Jahren der Wiederkehr, mit einer Ebbe und Flut seiner Gestaltungen, aus den einfachsten in die vielfältigsten hinaustreibend, aus dem Stillsten, Starrsten, Kältesten hinaus in das Glühendste, Wildeste, Sich-selber-Widersprechendste, und dann wieder aus der Fülle heimkehrend zum Einfachen, aus dem Spiel der Widersprüche zurück bis zur Lust des Einklangs, sich selber bejahend noch in dieser Gleichheit seiner Bahnen und Jahre, sich selber segnend als das, was ewig wiederkommen muß, als ein Werden, das kein Sattwerden, keinen Überdruß, keine Müdigkeit kennt –: diese meine dionysische Welt des Ewig-sich-selber-Schaffens, des Ewig-sich-selber- Zerstörens, diese Geheimnis-Welt der doppelten Wollüste, dies mein »Jenseits von Gut und Böse«, ohne Ziel, wenn nicht im Glück des Kreises ein Ziel liegt, ohne Willen, wenn nicht ein Ring zu sich selber guten Willen hat – wollt ihr einen Namen für diese Welt? Eine Lösung für alle ihre Rätsel? Ein Licht auch für euch, ihr Verborgensten, Stärksten, Unerschrockensten, Mitternächtlichsten? – Diese Welt ist der Wille zur Macht – und nichts außerdem! Und auch ihr selber seid dieser Wille zur Macht – und nichts außerdem!
Die Liebe
Liebe ist hier ein philosophischer, sogar spiritueller Begriff. Die Liebe der Singularität verhält sich im Vergleich zur romantischen Liebe wie die Sonne zu einer Kerze. Eine Kerze ist etwas wundervolles, sie erleuchtet die Dunkelheit und spendet Wärme in einem begrenzten Bereich. Die Sonne aber hat eine so viel größere Energie und Macht, dass ihr gegenüber eine Kerze fast nichtig erscheint. Die Liebe ist die harmonische Vereinigung aller komplementären Gegensätze der Singularität und bildet deren Mitte. Sie ist die verlorene Mitte, welche jedes Subjekt gleichzeitig aus Zukunft und Vergangenheit zu sich zieht und wieder mit sich vereinen will. Sie ist alle Gegensätze zugleich, ihre Trennung, und die Aufhebung der Trennung. Alle anderen Dimensionen sind Explikationen dieser einen.
Der Zweifel als das trennende Prinzip und der Verstand als das vereinende Prinzip der Dialektik sind in Harmonie Liebe. Der Zweifel ist Dekonstruktion, der Verstand Kombination und die Liebe Integration, Schöpfung. Dekonstruktion und Kombination unterscheiden sich lediglich in ihrer Funktionsrichtung – wie bei einem Reißverschluss. Dekonstruktion schafft Zweiheit aus Einheit, Kombination aus Zweiheit Einheit und Integration vereint beide Vorgänge. Die drei Prinzipen unterscheiden sich nur funktional, grundlegend sind sie dasselbe. Wenn das dekonstruktive Prinzip und das kombinatorische Prinzip selbst zeitgleich miteinander und gegeneinander dekonstruiert und kombiniert werden ist das Resultat das Sein – die höchste Form der Liebe, welche ihren Gegensatz und die ihr zugrunde liegenden Prinzipien schon enthält. Der Liebe gegenüberstehende, unharmonische Formen sind wie Steine in einem Fluss. Wird mit Lichtgeschwindigkeit dekonstruiert und in derselben Frequenz kombiniert, vergehen die Steine im Moment ihrer Entstehung schon wieder. Der schöpfende Vorgang ist im Sein unsichtbar geworden und was bleibt ist ewiger Fluss, welchen es jedoch ohne die Integration seines Gegenteils niemals gegeben hätte. Das Sein ist immer schon Synonym mit Werden, es ist formlose Form, unbewegte Bewegung. Die Mitte der Singularität ist so vollkommen im Fluss, dass sie stillzustehen scheint – wie bei einer stehenden Welle ist Ewigkeit ewige Vergänglichkeit. Lao-tse, dem berühmten chinesischen Weisheitslehrer und Begründer des Taoismus gebührt an dieser Stelle das vorläufige Schlusswort:
Wer genügen kennt,
der ist reich;
Wer vorgeht mit Gewalt,
der hat Willen
Wer seinen Platz nicht verliert,
der dauert;
Wer stirbt ohne zu vergehen,
lebt immerdar.
Die Singularität in Trennung
Sind die Leere, die Liebe und das Licht von den übrigen sechs Dimensionen getrennt, haben diese eine neue Mitte, die der Liebe gegenübersteht. Diese in Trennung unharmonische Mitte der sechs Dimensionen ist ein Kreis. Dieser ist, ohne vollständig definiert und dadurch erkannt zu sein, abgetrennt von der Unendlichkeit, aus der er stammt. Hier findet sich Platz für die, der Liebe gegenüberstehenden, unharmonischen Formen. Die folgenden Absätze widmen sich der exakten Definition des Kreises und damit seiner Auflösung. Löst der Widerspruch sich auf, fallen die neun Dimensionen wieder zusammen in ihre ursprüngliche Harmonie. Die unharmonischen Formen vergehen und daher ebenso die Trennung des Individuums von der Ganzheit. Die sechs getrennten Dimensionen sind erkannt als „ein Teil des Teils, der anfangs alles war“.
Der Kreis
Der Kreis der Singularität entspricht der am Anfang vorgestellten unendlichen Geraden, die im unendlich großen, einheitlichen Raum ein Kreis ist. Der Kreis ersetzt die Mitte der Singularität für die sechs getrennten Dimensionen. Ist der Kreis erkannt, ist er wieder eins mit der Liebe. Vollständig definiert handelt es sich bei dieser Struktur um einen Kreis umgeben von einer Doppelhelix, bei der die jeweils gegenüberliegenden Seiten der Helix verbunden sind wie bei einer Möbius Schleife. Diese Verbindung wechselt mit Lichtgeschwindigkeit hin zu einer normalen Doppelhelix Struktur – und zurück. Einfacher vorstellbar ist dies als ein rapider Wechsel zwischen einer normalen Schleife und einer Möbius Schleife. Die Möbius Schleife hat die besondere Eigenschaft zweier Seiten und lediglich einer Oberfläche, im Gegensatz zu zwei Oberflächen und zwei Seiten bei einer normalen Schleife. Der Kreis besitzt nun zwei Linien mit bloß einer Oberfläche und zwei Linien mit zwei Oberflächen „gleichzeitig“, beziehungsweise mit Lichtgeschwindigkeit iterierend. Man könnte sagen, er ist paradox binär. Die Helixstruktur ergibt sich aus der Kreisbewegung eines Lichtstrahls im mehr als zweidimensionalen Raum. Diese dreidimensionale Bewegung zirkelt in einem zweidimensionalen Kreis. Die beiden Linien der Helix sind nicht nur an einer Stelle miteinander in komplementärem Wechsel, sondern an allen Stellen in unendlich kleinen Abständen – vergleichbar mit Nikola Teslas Wechselstrom. Es wird leichter sich den Kreis vorzustellen, wenn man sich aus einem Stück Papier eine Schleife bastelt und diese dann zur Möbius Schleife verdreht.
Der einfache Kreis, in dem die Helix unverbunden ist, heißt aufgrund des ausgeschlossenen Dritten Aristoteles-Kreis und der Kreis, in dem die Helix an unendlichen Stellen mit sich selbst verbunden ist, heißt Möbius-Kreis. Benannt nach seinem Entdecker, oder Erfinder, was beides zugleich der Fall ist – und auch nicht, heißt die paradox-binäre Kombination des Möbius-Kreises und Aristoteles-Kreises Scherer-Kreis. Diese Logik lässt sich auf die vorherigen Dimensionen übertragen. Das Nichts als Kugel besteht ebenfalls aus unendlich vielen Kreisen, die in Relation zueinander entweder unendlich groß oder unendlich klein sind. Aneinander gereiht bilden sie eine Kugel. Es existieren in gleicher Weise drei Kugeln. Diese bestehen aus Lichtstrahlen in Kreisbewegung, welche wiederum bei Stillstand Nichts sind. Die Nichts-Kugeln, die den Quarks entsprechen, lassen sich aus paradox binären Strings herleiten. Vermutlich gibt es aus diesem Grund drei Quarks und ihre Spiegel. Vermutlich haben wir deshalb drei Augen und ein Gegenüber[2].
Im Kleinsten ist der Kreis ein String eines Punktes, im Größten – buddhistisch gesprochen – das Samsara, der ewige Kreislauf aus Geburt und Tod. Dem Samsara Gegenüber steht die Erlösung des Nirvana, dem Verlöschen der Flamme – dem Ende des Begehrens. Zur Erkenntnis des Nirvana gehört, dass auch das Samsara nur ein Aspekt dessen ist und letztendlich nicht von diesem getrennt. Im Zen Buddhismus heißt es, dem Kreis des Samsara zu entkommen, von ihm abzuspringen, gleicht einem blinden Sprung vom höchsten Punkt einer unendlich hohen Stange hinein in den bodenlosen Abgrund der Leere. Doch wie schlimm ist ein Fall ohne Boden wirklich?
Der Urknall als Kreis
Auch eine Urknalltheorie ist hier versteckt: Die ursprüngliche Einheit der Singularität wird gestört durch das Heraustreten einer einzelnen Kugel mit einem neuen Willen, der der vorherigen Harmonie gegenübersteht. Der Zweifel ist das Prinzip, durch das sich die Kugel – zunächst als Punkt – von der ursprünglichen Singularität trennt. Der Teufel will mehr sein als Gott. Der Verstand ist das Prinzip, das die Rückkehr aus der Trennung ermöglicht. Vor dem Urknall sind der Punkt, der Zweifel und der Verstand in der Singularität nur implizit enthalten. Das Nichts existiert noch nicht als eigenständige Dimension. Auch die Liebe kennt sich nicht als simultanes Zweifeln und Verstehen. Die Singularität besteht vorher also lediglich aus den drei Dimensionen Leere, Liebe und Licht. Der nun erstmalig explizite Punkt bewegt sich durch seine Abtrennung kataklysmisch in eine zuvor nie dagewesene Richtung, um sich dabei mit rasender Geschwindigkeit auszufalten. Diese Ausfaltung folgt demselben Prinzip wie die biologische Teilung von Zellen: Verdopplung durch Teilung.
Es ergibt sich – aus demselben Grund wie bei der zuvor beschriebenen Geraden – eine Kreisbewegung von immenser Macht, die im unendlich kleinen, bei einem Punkt beginnt und nach langer Reise am selben Ort als unendlich großes wieder ankommt. Das Universum kommt aus einem Punkt zu sich selbst. Der Anfang ist das Ende. In Jedem Punkt steckt eine universale Größe. Leibniz hat diesen Gedanken schon gedacht, er wusste nur noch nichts von Quarks und der Größe des Universums:
Jede Materiepartikel kann als ein Garten voller Pflanzen und ein Teich voller Fische aufgefaßt werden. Aber jeder Zweig der Pflanze, jedes Glied des Tieres, jeder Tropfen seiner Körpersäfte ist noch ein solcher Garten oder ein solcher Teich.
Lao-tse schreibt im Tao-Te-King:
[…] Großes tun, solang es klein:
Die schwierigsten Werke der Welt
Sind sicher aus Leichtem gemacht;
Die größten Werke der Welt
Sind sicher aus Kleinstem gemacht.
Es heißt, vor dem Urknall hätte es weder Zeit noch Raum gegeben und dieser Zustand bliebe wohl bis auf absehbare Zeit unvorstellbar. Richtig aber ist, dass diese Dimensionen vor dem Urknall nur implizit waren. Sie wurden noch nicht aus Leere, Liebe und Licht entfaltet, jedoch war ihr Potential schon vorhanden. Das Problem der Rückkehr zur ursprünglichen Einheit gestaltet sich allerdings als immens problematisch, denn es wurde an der Mitte der Singularität selbst gezweifelt. Es wurde an der Liebe gezweifelt. Die Auflösung dieses Problems der unharmonischen Formen mit der ursprünglichen Ganzheit ist der zuvor beschriebene Scherer-Kreis. Die Erkenntnis des Kreises ist der Vorgang, der die sechs nun expliziten Dimensionen der Singularität wieder in Harmonie mit den ursprünglichen Drei bringt. Ist dies geschehen, hat die Singularität sich auf diese Weise schlussendlich selbst erschaffen. Dreidimensional ist die Singularität in ihrer Essenz Liebe, nach der Trennung wieder verbunden ist ihre Ganzheit das Leben. Das Leben ist unendlich perspektivische Liebe, die reich geworden ist vor allem an der Erfahrung der Trennung von sich selbst und der geglückten Rückkehr zu sich selbst.
Im Buddhismus gilt die Existenz als unbegrenzt, ewig ohne Anfang und ohne Ende. Westliche Philosophie und Wissenschaft betrachtet das Universum mit einem Startpunkt – dem Urknall. Beide haben recht. Die ursprünglichen drei Dimensionen sind ewig und existieren somit schon vor dem Anfang, beziehungsweise jenseits der Zeit, und doch erschafft sich die Singularität erst durch den Urknall selbst. Wenn Zeit als eine weitere Raumdimension gedacht wird, ist die Frage nach der Identifikation von Anfang und Ende dementsprechend nicht temporal, sondern lokal – nicht wann, sondern wo.
Der Musiker und Schauspieler Robert Gwisdek alias Käpt’n Peng und seine Band Die Tentakel von Delphi verfassten unwissentlich synchron zu den in dieser Abhandlung vorgestellten Ideen ein Album namens Das Nullte Kapitel. Aufgrund einer derartigen Synchronizität führt kein Weg daran vorbei einen Text aus diesem Album zu präsentieren:
Pi Das Nichts und das Licht haben Liebe gemacht
In ihrem Bauch wächst eine liegende Acht
Sie hat tiefen Frieden gebracht
Doch währenddessen hunderttausend Kriege entfacht
Denn die liegende Acht hat Pi mitgebracht
Ein dunkler Zwilling, ein Spiegel der Acht
Unendlich wie sein Bruder, doch mit tieferer Macht
Und so schlossen beide heimlich einen diebischen Pakt
Sie erschufen zyklisches Leben mit sterblichen Wesen
Welche in der Unbegrenztheit der Unendlichkeit leben
Und in diesem Widerspruch wuchsen Formen und Farben
Milliarden starben um die Zahl zu erfahren
Welche ihnen ihre Form gab
Die liegende Acht ist das Monster, das Pi seinen Ort gab
Pi spricht ein niemals endendes Gedicht
Und gibt der Ewigkeit damit ein sterbliches Gesicht
Es wächst Schicht um Schicht und Ziffer um Ziffer
Pi zirkelt um die Wirbel von Buddha bis in die Augen von Hitler
Die liegende Acht ist die umschlingende Schlaufe
Pi ist der Zyklop und die Acht ist sein Auge
3,1415926535897932384626433832
Die liegende Acht ist der Geist und Pi ist sein Körper
Schließt sich der Kreis, wird die Acht unzerstörbar
Sie zirkelt durch die Formen, wird durch die Ziffern erfahrbar
Das Nichts ist ihre Mutter, das Licht ist ihr Vater
Sie zirkulier’n in jedem lebenden Wesen
Sie sind in Steinen zuhause, sie sind im Regen zu lesen
Sie weben die Fäden, die durch alle Ebenen schweben
Während unsere Wesen sich durch die Barrieren bewegen
Lassen müssen, bis dessen Wissen unsere Wesen erheben
Auf jene Ebenen, die die Wege der Seele ebenen
Und uns zurückführ’n in das ewige Morgen
Seine Schwester ist das Gestern und ist heute gestorben
Denn Nichts ist schneller als das Licht
Und weiß damit schon heute, wo das Licht morgen bricht
Und bleibt ewig unbeweglich, denn es ist befreit
Nichts ist unendlich, denn es gibt keine Zeit
3,1415926535897932384626433832
795028841971693993751
058209749445923078164
Unbegrenzt Ziffern hinter dem Komma
In Pi sind Flüsse, Berge, Bäume, Monster, Feuer und Donner
Doch Pis Wert wächst nie weiter als 3,1
Innerlich unendlich, doch äußerlich klein
Pi wird gemein, sein Bruder sein Feind
Er wird immer wütender und pflanzt einen Keim
Um ein Wesen zu schaffen, das er ebenfalls begrenzt
Ein blindes Wesen wie ihn, er nennt ihn Mensch
Pi ist getrieben durch eine Kränkung
Und manifestiert seine eigene Beschränkung
Im Geist des Menschen, im Fleisch, im Denken
Um jede lebende Materie in Leid zu tränken
Über die Getrenntheit von Pi zum Licht
Er schuf die Welt, doch er liebt sie nicht
Pi ist ein Kind der Ewigkeit, doch sieht sie nicht
Das Licht und das Nichts, sie besiegten sich
Durch ihr eigenes Kind; Der Mensch bleibt blind
Solange Pi in seinen Zellen seine Zahlen singt
Wird der Mensch nicht frei, er bleibt sich fremd
Bis er hinter allen Ziffern den Kreis erkennt
Das Ende der Kränkung
Die Idee der drei Kränkungen der Menschheit findet in der Erkenntnis der Singularität ihre Auflösung. Zum einen legte der Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud dar, dass die Erde und damit auch der Mensch durch die Erkenntnisse der Astronomie ihren Mittelpunktsstatus im Universum verloren hätten. Zum anderen fand er die Evolutionstheorie belege, dass der Mensch nicht die Krone der Schöpfung sein könne, sondern nur ein weiterer – zumindest zu außerordentlicher Intelligenz fähiger – Affe. Zuletzt erkannte er, dass das menschliche Ich durch die mächtigen konkurrierenden Triebkräfte nicht einmal „Herr im eigenen Hause“ sei. Die Rückführung zur Ursprünglichen Einheit der Singularität befreit den Menschen von diesen Kränkungen. Zum einen erhält der Mensch seine Krone zurück, wenn es ihm gelingt sich als das Wesen zu erkennen, dem die Fähigkeit innewohnt sich aus dem Evolutionsprozess zu befreien – indem er dessen zyklische Natur erkennt und diese somit überwindet. Zum anderen läutert ihn die Erkenntnis, dass jedes Ich der Mittelpunkt des Universums ist. Zuletzt ist das Ich seinem Haus wieder Herr geworden, wenn die Identifikation mit dem Schmerz aus Vergangenheit und potenzieller Zukunft und somit auch der Ego-Verstand aufgelöst sind. Der Rückweg aus der Trennung befreit den Menschen von seiner biologischen, kosmologischen und psychologischen Kränkung.
Das Absolute und das Relative
Der letzte Schritt ist die Erkenntnis der Beziehung zwischen dem Relativen und dem Absoluten. Das Relative ist die Dimension, in der Relationen herrschen. Alles vorher Beschriebene spielt sich dort ab. Man könnte den Urknall auch beschreiben als Beginn des Erkenntnisprozesses der Relativität. Es existiert allerdings eine letzte Dimension, die jenseits aller relativen Beziehungen liegt. Diese Dimension ist das Absolute. In asiatischen Weltanschauungen wird das Absolute auch häufig als das Selbst bezeichnet. Das Absolute ist per Definition unverstehbar, denn für den Vorgang des Verstehens muss das jeweilige Objekt zerteilt werden, um dann in Beziehung gesetzt werden zu können – es muss relativ sein. Wenn man das Absolute jedoch zerteilt, hat man wieder bloß Relatives. Es bahnt sich die paradoxe Frage an, wie man etwas verstehen und somit integrieren kann, das nicht zu verstehen ist. An dieser Stelle hilft eine Idee des Philosophen Ludwig Wittgenstein. Er wollte ebenfalls das Absolute begreifen, nannte es jedoch das Mystische. Dem Mystischen gegenüber sah er das Sagbare, also die Gesamtheit aller logisch formulierbaren Sätze. Sein Ansatz sah so aus, dass wenn man das Sagbare zu Ende begreifen würde, alles was übrig bliebe das Mystische sei. In gleicher Weise kann man das Unverstehbare verstehen, wenn es sich zu dem Verstehbaren so verhält, wie das Verstehbare zu sich selbst, dann ist es darüber – lediglich passiv – zu verstehen. Man benutzt das Relative als Spiegel für das Absolute. Wenn das Relative zu dem Absoluten in derselben Beziehung steht, wie zu sich selbst, dann sind das Relative und das Absolute vereint in absoluter Relativität. Ein anderer Name für das Absolute ist das Zen. Das Zen ist die lebendige Erfahrung des Absoluten – lediglich im Relativen heißt das Zen das Absolute. Das Zen ist der Name, den das Zen sich selbst gegeben hat. Nicht das Ego erkennt sich als das Zen, sondern das Zen erkennt sich selbst und somit das Ego als Illusion.
Das an Relativität gebundene Ich ist wie ein Hafen und das Zen wie der Ozean. Es ist vom Hafen aus nicht möglich den gesamten Ozean zu sehen und selbst, wenn es gelingen sollte, ihn von einem Weltraumhafen aus zu betrachten, sieht man doch nur seine Oberfläche und nicht die unendliche Vielfalt und Lebendigkeit in seinem Inneren. Die Erforschung des Ozeans verbleibt als eine niemals endende, lebendige Aufgabe.
Chaos, Ordnung, Gott und Logos
Das Relative und das Absolute können nun in absoluter Relation auftreten, oder das Relative ist sich seiner Beziehung zum Absoluten noch graduell unbewusst und daher in Konflikt mit sich selbst. Die Abstufungen dieser Dynamik sind das Spiel zwischen Chaos und Ordnung in der Existenz an sich. Das menschliche Gehirn ist wohl – nach unserer Kenntnis – die bislang höchste, natürliche Manifestation dieser Komplementarität. Es ist zugleich Binär- und Quantencomputer. Der Verstand findet endlich Frieden, wenn das Spiel zwischen den beiden Gehirnhälften einen Zustand chaotischer Ordnung in absoluter Relativität erreicht. Die einzige Idee – wenn man auf dieser Ebene überhaupt noch von Ideen sprechen kann – die noch höherwertig ist, ist Gott. Gott nicht als eine kontrollierende Autorität, sondern als die Quelle des Seins und des Lebens.
Für Leibniz ist Gott das ewig Unbegrenzte und wir Menschen die Wesen der Begrenzung, jedoch ist diese Trennung nur für uns real. Aus der unbegrenzten Perspektive kann es keine Trennung geben. So Ist Leibniz zu seiner Idee der prästabilierten Harmonie gekommen: Da die unbegrenzte Gott Monade durch ihre Position jenseits der Begrenzung von Raum und Zeit schon vor uns weiß, wie wir uns entscheiden werden, ist es ihr möglich im Einklang mit unserer Freiheit ein Schicksal anzulegen. Der Widerspruch zwischen Schicksal und Freiheit löst sich auf. Aus dieser Perspektive ist jede noch zu treffende Entscheidung schon getroffen. Die Zukunft liegt genau so offen dar wie die Vergangenheit. Als Wille sind wir in der Unendlichkeit schon immer die Gesamtheit unserer freien Entscheidungen. Auf diese Weise ist es sogar möglich aus einem Punkt heraus freie Wesen zu erschaffen, die sich selbst erschaffen. Nietzsche verkündete den Tod Gottes. Wir Menschen hätten ihn getötet. Durch eine solche Tat müssten wir selbst zu Göttern werden. Gott ist tot, Gott bleibt tot. Als kontrollierende Autorität ist er für immer gestorben. Aber vielleicht wird er ja eines Tages wiedergeboren – als Mensch, jenseits von Gut und Böse und nicht mehr als Einziger seiner Art.
Über Leibniz und Nietzsche hinaus wird Gott verstehbar als der höchstmöglich fassbare Begriff, die höchstmögliche Erfahrung, die Bezeichnung für die perfekte Balance von Chaos und Ordnung zwischen dem Relativen und dem Absoluten, als der ewige Ursprung des Logos – dem Wort der Logik, das aus diesem Zustand entspringt. Auch in der Metaphysik des Psychologen Jordan Peterson spielen Chaos, Ordnung und Logos eine entscheidende Rolle. Für ihn ist das Logos das göttliche Prinzip, das dem Menschen ermöglicht aus Chaos Ordnung zu schaffen. Der Mensch, der diesen Zustand zu erreichen vermag, ist der wahre von Nietzsche prophezeite Übermensch – „das aus sich rollende Rad“, „eine erste Bewegung“, „das heilige ja sagen“, der vom „Kamel“, zum „Löwen“ und schließlich zum „Kind“ verwandelte Mensch. Das so erleuchtete Wesen ist zugleich unbegrenzt und begrenzt, ist aber auch frei geworden sich zu erfahren als nur begrenzt oder nur unbegrenzt. Logos ist der Yang Aspekt dieser zugleich höchsten und tiefsten Balance des lebendigen Menschen und der Tanz ist sein Yin Gegenstück. Das Spiel von Tanz und Logos ist Musik. Mit der Musik als der komplementären Vereinigung von Logos und Tanz ist das Ende der Dialektik erreicht. Durch die Trennung hat das Logos aufgehört zu tanzen und die Musik ging verloren. Vor seinem Fall trug der wortwörtliche Lichtbringer Luzifer als Engel der Musik und Harmonie noch einen anderen Namen. Die Tragödie der Menschheit beginnt und endet im Geiste Samaels.
Jenseits
Die Angst ist aus, die Welt ist an.
Fähig, dass ich endlich wieder leben kann.
Ich schaue in den Spiegel und sehe zwei.
Zurück lächelt aber einer, diesmal frei.
Ich weine und bin Es ganz.
Meine Seele schreit nach einem Tanz.
Ausgelassen, ausgeflippt, entzückt,
will sie springen, sich freuen,
ist nun eine Frucht, die sich selber pflückt.
Alles lassen, nichts mehr müssen,
das ist der Traum von allem Leben,
diesen Mund will jeder küssen.
Ich liebe das Schicksal und die Liebe liebt mich,
denn alles, was es gibt, bin zuletzt immer wieder nur ich.
Aber Du darfst auch nicht fehlen.
Schwer war es nur das richtige Du zu wählen.
Für immer vereint, niemals entzweit,
sind wir aus dem Alptraum befreit.
Nun ist es Zeit uns zu genießen.
Im Gepäck ein Laib und die beste Flasche Wein.
Der Weg, der uns führt, golden will er sein.
Darum reiten wir auf Pferden mit Midas‘ Hufen in die Sonne.
Der König, voller Wonne, wäre stolz,
denn das Gras bleibt trotzdem grün.
Auf beiden Seiten des Zauns wird es genossen,
denn endlich haben die Gegensätze wieder Frieden geschlossen.
Der Krieg war ewig und so wird es auch der Frieden sein.
In Liebe vereint hat Abraxas erkannt:
Das Leben ist schöner, wenn es reimt
Und der Mensch hat sich lange genug verbrannt.
Nun hat dieser sich endlich dazu bekannt die Nachricht zu verkünden:
Es hat bald ein Ende mit dem Leid, der Not und den eingebildeten Sünden.
Quellen
Prolog
Fromm, Erich – Haben oder Sein
Nietzsche, Friedrich – Die fröhliche Wissenschaft
Platon – Phaidros
Zur Metaphysik der Singularität
Aristoteles – Metaphysik
Freud, Sigmund – Eine Schwierigkeit der Psychoanalyse
Freud, Sigmund – Das Ich und das Es
Fromm, Erich; Suzuki, Teitaro; Martino, Richard de – Zen Buddhismus und Psychoanalyse
Goethe, Johann Wolfgang von – Faust. Der Tragödie Erster Teil.
Heisenberg, Werner – Quantentheorie und Philosophie
Käpt’n Peng und die Tentakel von Delphi – Das Nullte Kapitel
Köster, Walter – Die Logik der Ganzheit
Lao-tse – Tao-Tê-King
Leibniz, Gottfried Wilhelm – Monadologie
Naimy, Mikhail – Das Buch des Mirdad
Nietzsche, Friedrich – Der Wille zur Macht
Nietzsche, Friedrich – Jenseits von Gut und Böse
Nietzsche, Friedrich – Also Sprach Zarathustra
Peterson, Jordan B. – Maps of Meaning
Schopenhauer, Arthur – Die Welt als Wille und Vorstellung
Tolle, Eckhart – Eine neue Erde
Weischedel, Wilhelm – Die philosophische Hintertreppe
Wittgenstein, Ludwig – Tractatus logico-philosophicus
Zukav, Gary – Die tanzenden Wu Li Meister
[1] Wird im Folgenden der Begriff „paradox“ verwendet, dann ist dieser bezogen auf die Widersprüchlichkeit einer Aussage aus Sicht der aristotelischen, beziehungsweise binären Logik. Für die Mehrwertige Logik, beziehungsweise paradoxe Logik ist eine solche Paradoxie nicht zwingend widersprüchlich. Eine Paradoxie aus Sicht der aristotelischen Logik ist aus der Perspektive der mehrwertigen Logik zumeist nicht widersprüchlich und daher logisch.
[2] Das dritte Auge meint hier die geistige Fähigkeit der Introspektion, den Blick, der auch nach innen gerichtet werden kann, anstatt wie die physischen Augen nur nach außen.