Die Perspektive
In der Welt allgemein und damit natürlich auch in der Tiermedizin, wird das, was gesagt und gedacht werden darf immer enger. Ideologien werden gerne als absolute Wahrheit gehandelt. Ich als ganzheitlich arbeitende Tierärztin merke es besonders. So wie ich behandle, weicht immer mehr von dem ab, was heute als „Good Veterinary Practice“ bezeichnet wird, in vielen Fällen kehrt es sich schon ins Gegenteil. Aber ist etwas richtig oder falsch? Gerne wird von der konventionellen Schulmedizin dargestellt, dass es nur diese Perspektive geben darf, aber wie verhält es sich denn da mit den Perspektiven?
Objektivität ist kein fester Punkt, sondern ein Prozess. Sie entsteht dort, wo wir den Mut haben, unsere eigene Sichtweise nicht als absolute Wahrheit zu betrachten, sondern uns Schritt für Schritt zu lösen – von Vorurteilen, Emotionen und der Enge des Augenblicks.
Eine hilfreiche Analogie ist der Blick in der Landschaft: Steht man im Tal, sieht man nur das, was unmittelbar vor den Augen liegt – Bäume, Steine, vielleicht einen kleinen Ausschnitt des Weges. Klettert man höher, erweitert sich das Bild. Auf dem Berggipfel schließlich erschließt sich das große Ganze: Täler, Flüsse, Wege, die sich miteinander verbinden. Jede Höhe bietet eine neue Perspektive, doch erst aus der Distanz lässt sich erkennen, wie alles zueinander gehört.
Genauso verhält es sich mit unseren Gedanken und Urteilen. Je mehr wir lernen, innerlich „herauszuzoomen“, desto klarer sehen wir Zusammenhänge. Objektivität heißt nicht, ohne Standpunkt zu sein – sondern die Fähigkeit, den eigenen Standpunkt in Relation zu setzen zum größeren Bild. Wer übt, die Perspektive zu wechseln, entdeckt, dass Wahrheit nicht im einzelnen Detail gefangen liegt, sondern im Muster, das sich erst mit Abstand zeigt.